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Terrorismus in Europa - wie damit umgehen?

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Wieder gab es einen Terroranschlag in Europa, diesmal in London. Ein Lieferwagen wurde von den Tätern als Waffe gegen Fussgänger benutzt, um diese zu überfahren. Dann setzten die drei Insassen mit Messern bewaffnet ihren Angriff fort und stachen wahllos auf Passanten ein, bevor sie selbst von der Polizei gestoppt werden konnten. Mindestens 7 Personen wurden getötet, dutzende zum Teil schwer verletzt. Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien. Zugleich jedoch müssen wir uns die Frage stellen, wie wir künftig solche Anschläge verhindern können - und ich darf vorwegnehmen, die Ausweitung von Überwachung und Einschränkung von Bürgerrechten und Freiheiten wird kein Mehr an Sicherheit bringen. Die Bilder und Worte der vor die Kameras tretenden Politiker jedenfalls sind von den Reaktionen auf  vorangegangenen Terrorakte kaum zu unterscheiden und machen letztlich nur deren Hilflosigkeit deutlich. Von überall her kommen Solidaritätsbekundungen an die Adresse der Oper bzw. ihrer Angehörigen und an die betroffenen Nation. Natürlich werden die Täter allenthalben verurteilt und - wen wundert es - schrecken die Politiker nicht davor zurück, die eigene politische Agenda als beste Antwort auf diese Art Taten zu verkaufen und so vielleicht noch einen Vorteil herauszuholen für die eigene Sache. Dabei hat keine der politischen Parteien eine wirklich überzeugende Antwort auf Terrorismus, weil eine offene Diskussion über die Ursachen, und ob wir diese wirklich so hinnehmen wollen, nicht geführt wird. 

Zunächst müssen wir verstehen, was Terrorismus eigentlich ist. Eine einfache Definition ist zumindest nicht einfach, ja erscheint sogar unmöglich. Nicht einmal die einzelnen Bundesbehörden in den Vereinigten Staaten konnten sich für ihre Arbeit auf eine Definition einigen. Den verschiedenen Definitionen gemeinsam ist immer, dass es um eine Handlung geht, die Furcht und Schrecken auslöst. Wenig hilfreich, steckt dies doch bereits im lateinischen Ursprung des Wortes: terror bedeutet Furcht bzw. Schrecken.

Kompliziert wird die Lage noch dadurch, dass die Begriffe Terror und Terrorismus seit einigen Jahren fast inflationär verwendet werden und die Presse weniger Interesse an einer differenzierten Betrachtung als an besonders reisserischen Schlagzeilen zu haben scheint. Stellen wir uns für einen Augenblick vor, John F. Kennedy wäre nicht 1963 sondern heute ermordet worden. Die Schlagzeilen würden wohl

US-Präsident Kennedy erliegt grausamem Terroranschlag

oder so ähnlich lauten. Gehen wir nochmals fast 20 Jahre weiter zurück in die Geschichte, zum 20. Juli 1944. Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg zündet im Führerhauptquartier Wolfsschanze während einer Lagebesprechung eine Bombe, um Hitler zu töten und die NS-Diktatur zu beenden. Hitler überlebt jedoch mit  nur leichten Verletzungen, weil er sich zum Zeitpunkt der Explosion gerade über einen massiven Kartentisch gebeugt hat und so vor der unmittelbaren Wucht der Detonation geschützt war.

Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen […]. Es ist ein ganz kleiner Klüngel verbrecherischer Elemente, die jetzt ausgerottet werden.
Adolf Hitler

Dies war die damalige offizielle Verlautbarung des Nazi-Regimes, natürlich in der Sprache der damaligen Zeit. Heute würde die gleiche Verlautbarung wohl eher so klingen:

Mit einem feigen, terroristischen Anschlag auf die Regierung haben Offiziere einen Staatsstreich versucht. Wir werden mit aller Härte gegen diese und ihre Hintermänner vorgehen"

Klingt erschreckend vertraut, oder? Ganz offenbar ist der Unterschied zwischen einem Terrorist und einem Helden oder Freiheitskämpfer vor allem eine Frage des eigenen Standpunkts. Beim Thema Sicherheitspolitik konnten wir bereits von Star Trek lernen. Warum nicht auch beim Thema Terrorismus?

One world's butcher is another world's hero.
Frei übersetzt: Für die einen ist man ein Schlächter, für die anderen ein Held.
Admiral Jarok Star Trek: The Next Generation, Season 3, Episode 10 "The Defector"

Terrorismus ist offenbar eine Form asymmetrischer Kriegsführung, ähnlich einem Guerillakrieg, bei dem bewusst die offene militärische Konfrontation vermieden wird, um den Vorteil einer übermächtigen Armee auszugleichen. Für die einen Freiheitskämpfer, für die anderen Terrorist; ist es so einfach? Beim Guerilla-Krieg sind die Ziele trotz des asymmetrischen Kampfes weiterhin militärische Verbände bzw. legitime militärische Ziele, nicht Zivilisten. Der Terrorismus zielt hingegen bewusst darauf ab, die Zivilbevölkerung zu treffen. Neu ist dies freilich nicht. Auch im 2. Weltkrieg und in vielen Konflikten davor wurde genau diese Strategie angewandt, um den Kampfeswillen der Bevölkerung zu brechen und so der eigentlich kämpfenden Armee den Rückhalt zu nehmen. Denken wir nur an die Bombardements der Alliierten auf deutsche Städte, die Angriffe des NS-Regimes mit V-Waffen auf London oder - die extremste Form - die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

Versuchen wir also erneut eine Definition:

Terrorismus ist die Kombination des Prinzips der asymmetrischen Kriegsführung mit dem Versuch, den Gegner durch gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu demoralisieren.

Die Angriffe auf einen Präsidenten, andere Regierungsmitglieder oder strategische Ziele werden zwar gerne von der betroffenen Seite als Terrorakte bezeichnet, um damit eine moralische Verurteilung der Täter zu erreichen, korrekt ist dies jedoch nicht, denn sowohl die Regierung als auch strategische Ziele sind legitime Kriegsziele entsprechend der Genfer Konventionen. Ein gezielter Angriff auf den Präsidenten oder Regierungschef eines Landes oder auf strategisch wichtige Infrastruktur wäre demnach also gerade kein terroristischer Akt sondern legitime Kriegsführung. Klammern wir die propagandistische Benutzung des Begriffs Terrorismus aus, so erscheint die obige Beschreibung als brauchbare Definition.

Ausgehend von dieser Definition müssen wir jedoch feststellen, dass es fast unmöglich sein dürfte, Terroranschläge zu verhindern. Selbst Guerillaangriffe auf Armeeeinheiten sind kaum zu verhindern, bei der Zivilbevölkerung ist dies noch weit schwieriger, weil die Zahl möglicher Ziele fast beliebig gross und noch dazu weitgehend ungeschützt ist. Ganz egal wieviel Polizei wir haben, ganz egal wieviel Überwachungsmassnahmen wir anwenden, weder können wir verhindern dass ein Einzeltäter ein Auto oder einen Lastwagen verwendet, noch können wir alle Küchenmesser und Werkzeuge verbieten, die man als Waffen zweckentfremden könnte. Beim Versuch dies zu tun, würden wir im Gegensatz gerade die Freiheiten und Werte opfern, die unsere westliche Gesellschaft ausmachen. Oder um es mit den Worten des grossen amerikanischen Staatsmannes Benjamin Franklin (1706-1790) zu sagen:

They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
Frei Übersetzt: Wer wichtige Freiheiten aufgibt, um vorübergehend mehr Sicherheit zu erlangen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.
Benjamin Franklin

Wenn wir aber die Tat in ihrer Ausführung selbst nicht verhindern können, dann bleibt nur, die potentiellen Täter davon abzubringen, einen Terroranschlag auszuführen. Hierzu müssen wir aber die Motivation verstehen, die die Täter antreibt. Im Fall des islamistischen Terrors sind dies vor allem zwei Punkte:

  1. Das christlich bzw. säkular geprägte Europa ist aus islamistischer Sicht voller Ungläubiger, die entsprechend der radikalen Auslegung des Islams legitime Ziele sind, die umzubringen im Sinne des Propheten ist.
  2. Europäische Länder haben sich durch ihr Handeln zum Ziel radikalislamischer Kämpfer gemacht.

Gegen den ersten Punkt können wir kurzfristig nur wenig tun. Mittel- und langfristig dürften Bildung und eine positive Lebensperspektive mit einem toleranten Weltbild wohl der sinnvollste Ansatzpunkt sein. Dies erfordert jedoch, dass wir selbst diese Toleranz auch leben und nicht nur fordern. Wir können also nicht unsere Werte auf den islamischen Kulturkreis übertragen sondern müssen akzeptieren, dass dort andere Regeln gelten. Diese mögen uns fremd, ja sogar abstossend erscheinen, trotzdem müssen wir den Menschen das Recht zugestehen, nach ihren Regeln zu leben.

Der zweite Punkt hingegen ist derjenige, der zu einer gesellschaftlichen Diskussion führen müsste. Wenn es stimmt, dass Terroristen für eine bestimmte Ideologie eintreten und bereit sind, für diese mit Gewalt zu kämpfen, dann müssen wir uns die Frage stellen, warum sie gerade gegen uns kämpfen. Ganz offenbar befinden sie sich - zumindest aus ihrer Sicht - in einem Krieg mit uns. Die Bekennervideos des sogenannten Islamischen Staats lassen an diesem empfundenen Kriegszustand wenig Zweifel aufkommen. Die Einmischung der westlichen Länder in den Konflikt im Nahen und Mittleren Osten gegen Länder und Organisationen die eine radikale Auslegung des Islams verfolgen bedeutet, dass genau diese Länder und Organisationen sich genötigt sehen, sich gegen unsere Einmischung zu wehren. Angesichts militärischer Übermacht auf unserer Seite ist es kaum verwunderlich, dass sich der Gegner dann auf die oben beschriebenen Prinzipien der asymmetrischen Kriegsführung gegen Zivilisten konzentriert.

Wir brauchen daher dringend eine gesellschaftliche Debatte darüber, ob wir unsere Werte auch auf den islamischen Kulturkreis anwenden und uns entsprechend in dortige Konflikte einmischen wollen. Wenn ja, dann sind Terrorangriffe etwas, das wir als Reaktion für unsere Einmischung akzeptieren müssen, denn wir haben mit unserer Einmischung einen Krieg der Kulturen und Wertesysteme begonnen. Wenn wir nicht bereit sind, den Preis von Terrorangriffen bei uns zu akzeptieren, dann müssen wir uns konsequenterweise aus den Konfliktherden im Nahen und Mittleren Osten zurückziehen und es der Bevölkerung dort selbst überlassen, wie sie - friedlich oder nicht - lebt oder stirbt. Wenn wir das tun, dann dürften auch die Terrorangriffe bei uns in Europa sehr bald aufhören.

Gernot Ortmanns

Als klinisch tätiger Arzt und ehemaliger Unternehmensberater und Projektmanager ist das Spektrum der Themen, die mich interessieren sehr breit. Die sehr internationale Ausrichtung - ich habe neben Deutschland auch in Australien und der Schweiz gelebt und gearbeitet - verleiht mir eine Perspektive, die ich ohne diese Erfahrung so nicht hätte. Ich hoffe, ich kann meinen geneigten Lesern ein Stückweit diese Perspektive vermitteln und zu einer differenzierteren, vielschichtigeren Sicht der Dinge beizutragen.

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